Gastbeitrag von Anne M. Schüller
Sprachstil im Unternehmen: freundlich oder feindlich?
„Worte sind die Kleider unserer Gedanken“, hat ein kluger Mensch einmal gesagt. Der Sprachstil zeigt also an, in welchem geistigen Haus jemand tatsächlich lebt. Insofern entlarvt gerade die Managersprache das wahre Mindset sofort. Vielerorts wird Hoch- und Niederstatus noch immer fleißig gepflegt. Wie das?
Sprache Top-down?
Führungskräfte machen ihre Bedeutung gern daran fest, wie viele Mitarbeiter bei ihnen „aufgehängt“ sind. Change-Projekte werden Top-down auf die „unteren Ebenen“ „ausgerollt“. Steht Neues an, dann müssen die „niederen Chargen“ „abgeholt“ und „mitgenommen“ werden. Ziele und Vorgaben werden „heruntergebrochen“. Jedes noch so kleine Vorhaben muss „abgesegnet“ und jeder Handgriff „reportet“ werden.
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Leute, denkt doch mal nach:
- Von „aufgehängten" Mitarbeitern bekommt man gar nichts. Die sind nämlich tot.
- Wird über Mitarbeiter was „ausgerollt“, sind die platt, also bewegungsunfähig.
- Wer „mitgenommen“ wird, geht nicht voran, sondern läuft passiv hinterher.
- Der, auf den etwas "heruntergebrochen" wird, fühlt sich ziemlich beschmutzt.
- Etwas absegnen lassen müssen heißt: Unterwerfung vor einer höheren Macht.
Das ist nur so dahingesagt? Wir konstruieren unsere Welt durch Sprache. Worte prägen nicht nur Denkweisen, sondern auch Verhalten. Zudem multipliziert sich der Tenor solch herablassender Rede und verbreitet ein Klima der Angst. Wie praktisch, wenn alle kuschen? Vor einer Masse verängstigter Menschen sollte man sich regelrecht fürchten. Sie rennen davon, erstarren in Zögerlichkeit – oder gehen auf die Barrikaden.
Sprache entlarvt Denkmuster – und prägt Verhalten
Vielerorts werden die Mitarbeiter noch immer als „Untergebene“ tituliert. Ein wahres Unwort ist dies, denn wer will schon gern „unten“ und „ergeben“ sein? Bei einem besser nicht genannten Caterer nannten die Führungskräfte ihre Aushilfen „Söldner“ – und wunderten sich über deren Mangel an Engagement. „So etwas Idiotisches habe ich schon lange nicht mehr gehört! Bin ich denn hier von lauter Deppen umgeben“, tobt der Chef im Abteilungsmeeting. „Mit solchen Nieten muss ich mich herumschlagen“, klagt er seinen Kollegen während der Vorstandssitzung.
Wie Menschen innen umgehen, so gehen sie mit Kunden um
So sehen die Reaktionen schwacher Chefs aus, die andere erniedrigen und fertigmachen müssen, damit ihre eigene Kleinheit nicht so auffällig ist. Wer als „Vorgesetzter“ (auch so ein Unwort, das weggehört) seine Mitarbeiter kleinmacht, wird von ihnen keine großen Jobs bekommen. Und wer sie Leistungsträger nennt, entmenschlicht sie. Über „Humankapital“ will ich schon gar nicht mehr reden.
Ich habe in einem Unternehmen gearbeitet, da wurden unliebsame Mitarbeiter „zum Abschuss freigegeben“. Ein Abteilungsleiter berichtete mir, dass sein Chef die versammelten Führungskräfte im Meeting schon mal als „augenlose Würmer“ bezeichnet hat. Bei Ihnen geht es ähnlich hemdsärmelig zu? Da sind die Sitten rau, die Späße derbe? Wie die Menschen drinnen im Unternehmen miteinander umgehen, genauso werden sie es draußen mit den Kunden tun.
Der Kunde als Psycho und technischer Störfall?
Nomen est omen. Verfrachtet man seine Leute ins Backoffice, also ins Hinterzimmer, dann bleiben diese hintendran. Sachbearbeiter kümmern sich um Sachen – statt den Menschen hinter der Bestellnummer, dem Aktenzeichen oder der „reklamierenden Rechnung“ zu sehen. Im Kundendienst sind Kunden ein „technischer Störfall“. Anderswo nennt man sie geradewegs „Psychos“. In einem Gewerbebetrieb fand man es überaus lustig, die Mitarbeiter vom THW als „tausend hilflose Wichtel“ zu bezeichnen.
Bei Behörden heißen wir Antragsteller. Im Krankenhaus operiert man „Bäuche“. Für die Bahn sind wir ein „Beförderungsfall“, für Versicherungen ein „Langlebensrisiko“ und für Energieanbieter ein „Messpunkt“. Bei Airlines heißen wir PAXE, das hört sich glatt wie Stückgut an. Im Hotel ist der Gast eine Nummer. Im Restaurant sitzen Schnitzel und Rinderbraten. „Urnenöffnung“ sagen Servicekräfte im Ausflugslokal, wenn ein Bus mit älteren Herrschaften kommt. Absurd? Einige Beispiele von vielen.
Wie sieht das Bild vom Kunden aus?
Ob es den Mitarbeitern möglich ist, das Positive in einer Kundenbeziehung zu sehen, hat maßgeblich mit dem Sprachstil zu tun, der im Unternehmen gepflegt wird. Macht das Management immerzu den schwachen Markt, die böse Konkurrenz oder die miese Performance anderer Abteilungen für Misserfolge verantwortlich, wird das schnell zum dominierenden Sprachstil. Und hört der Mitarbeiter ständig Negativ-Geschichten über „schwierige“ Kunden, Nörgler und Querulanten, dann wird dies seine eigene Einstellung färben. So entwickelt sich schließlich ein „Feindbild Kunde“.
Floskelhafte Managersprache – eine dumme Marotte
Ein paar Worte noch zur Ausdrucksweise in Führungskreisen: Ist die dort übliche Kommunikation empfängerorientiert und zielgruppengerecht? Oder ist sie umständlich, nichtssagend, langweilig, akademisch, floskelhaft und fremdwortgespickt? Genau damit öffnet sich eine vergiftende Kluft zwischen oben und unten – und dies verhindert Erfolg. Ist die Sprache hingegen klar und deutlich, konkret und verbindlich, anschaulich und motivierend, bildhaft und für jeden verständlich, dann sorgt dies für menschliche Nähe, für unbändigen Leistungswillen und schließlich für Top-Resultate.
Buzzword-Bingo vermeiden
Besonders auch im Marketing schmücken sich die Verantwortlichen gerne mit einer kryptischen Sprache: dem Manager- und Marketing-Speak, einem merkwürdigen Business-Kauderwelsch, substantivierend und unnahbar kühl, gespickt mit Buzzwords und Insider-Englisch. „In den vergangenen 40 Jahren hat sich ein ziemlich abwegiger Glaube beharrlich gehalten: Wenn sich jemand verständlich ausdrückt, ist er ungebildet“, so der verstorbene Managementdenker Peter Drucker schon seinerzeit.
Unser Hirn mag es anschaulich und einfach. Vernebeltes Geschwafel zu entschlüsseln, kostet zusätzliche Arbeit, Zeit und Geld. Allzu oft setzen Manager einfach voraus, dass die Zuhörer unter den verwendeten Begriffen alle das gleiche verstehen. Das tun sie aber nicht. Man nickt zwar höflich, um sich nicht lächerlich zu machen, fragt aber nicht nach. Jeder reimt sich selbst was zusammen. Oder man konsultiert den Flurfunk.
Die Folge: Allgemeine Verwirrung, Fehlinterpretationen und Missverständnisse, die zu falschen Schlüssen und schließlich zu herben Fehlentscheidungen führen können. Kommunikativer Frühjahrsputz und Sprachhygiene macht all dem den Garaus.
Das Buch zum Thema, auch als Hörbuch erhältlich
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