Gastbeitrag von Wolfgang Parnitzke

Was hilft in diesen Zeiten? Selbstfürsorge!

Was meine ich mit Selbstfürsorge? Es ist die Fähigkeit, trotz vielfältiger Anforderungen des Alltags, auf sich zu achten und somit gesund und leistungsfähig zu bleiben. Dabei ist es fast schon gleichgültig, wie stark die Winde um uns wehen.

Wenn es mir gut geht, geht es auch meinem Umfeld gut

Selbstfürsorge kann jeder und fast immer. Selbstfürsorge ist manchmal verpönt, weil es ja bedeuten würde, dass man zuerst auf sich selbst achtet und erst dann auf seine Kinder, Partner und Kollegen. Aber: Sie kennen ja sicher die Anweisung im Flugzeug, dass nach Herabfallen der Sauerstoffmasken Sie als erstes die Maske aufsetzen und danach erst den Mitreisenden helfen sollen. Warum? Klar, Sie können sich nur dann um die anderen kümmern, wenn Sie selbst in Ordnung sind. Wenn Sie selbst keinen Sauerstoff bekommen, dann ist auch keine Fürsorge für andere mehr möglich.

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Brennen ohne auszubrennen

Übertragen auf unseren Alltag in der Firma gilt, dass der Spruch "mir geht es dann gut, wenn es meiner Firma gut geht", den wir uns vielleicht jahrelang zu Herzen genommen haben, nur bedingt richtig ist. Einerseits stimmt es, dass es dem Mitarbeiter gut geht, wenn eine Firma unsere Grundbedürfnisse nach einem sicheren Arbeitsplatz, einer ordentlichen Bezahlung und interessanten Aufgaben und Kollegen decken kann. Andererseits läuft aber etwas schief, wenn der Mitarbeiter seine eigenen Bedürfnisse zugunsten der Firma auf Dauer aufgibt. Beispiele zeigen, dass dies sogar zu langer Krankheit führen kann. Einem begeisterten Zustand des Brennens für eine Sache folgt dann auch schon mal das "Ausbrennen", das nicht mehr so einfach und schnell zu "reparieren" ist.

Also: Auf seine eigenen Bedürfnisse zu achten, ist sehr wichtig.

Aber wie kann ich das, wenn ich – wie jetzt durch die Corona-Einschränkungen – ein viel geliebtes Hobby nicht mehr ausüben kann, sei es aufgrund von zeitlichen Belastungen durch Job oder Familie, sei es durch eine Ausgangsbeschränkung?

Es gibt drei einfache Mittel.

Diese einfachen Mittel sind fast immer verfügbar, sie sind so einleuchtend, dass die meisten sie schon einmal angewandt oder gehört haben. Sie sind in unserem Bewusstsein aber vielleicht wieder verschüttet worden durch etwas, was wichtiger war als die Sorge für uns selbst.

Zeitinseln

Zeitinseln sind Momente, in denen wir einen Leerraum für Gedanken schaffen. Sie finden zwischen zwei Aktivitäten statt. Das Besondere ist, dass man in diesen Leerräumen nicht nachdenken muss. Beispiele sind das Gießen der Pflanzen, das Geschirrspülen, ein kleiner Spaziergang und einfach mal drei Minuten Stille. Ein dreimaliges tiefes Ein- und Ausatmen kann es sein oder sich zehn Minuten lang auf den Atem zu konzentrieren und alle Gedanken und Gefühle dabei willkommen zu heißen. Man kann auch sein Kopfkino beobachten, indem man sich ein Stichwort wie "Besprechung" gibt und dann wartet, welche Gedanken und Gefühle einem dazu einfallen. Diese nicht zu bewerten, sondern nur freundlich zu begrüßen und weiterziehen zu lassen, ist dabei wichtig. Fünf Minuten Kopfkino reichen, um wieder mehr in der Gegenwart anzukommen.

HTGS: Hunt the good stuff

Ein weiteres Mittel zur Selbstfürsorge stammt von Martin Seligman, dem Pionier der Positiven Psychologie. Er gibt uns einen guten Tipp: "HTGS: Hunt the good stuff". Jagen wir also die guten Dinge. Er schlägt vor, sich vor dem Zubettgehen drei Dinge aufzuschreiben, die an diesem Tag gut waren. In Corona-Zeiten kann man sich fragen, was war das Gute im Schlechten? Konnten wir uns z.B. um Dinge kümmern, die wir vorher lange vernachlässigt haben? Gibt es Nachbarn, die in diesen Zeiten neue und angenehme, hilfsbereite Seiten von sich zeigen? Wo finden wir in unserer Umgebung die schönen Stellen oder die ruhigen Plätze, die wir jetzt erkunden konnten und die uns fortan begleiten? Oder war es das Erblühen der Natur, dem wir in diesem Jahr im Home-Office live zuschauen konnten – und durch das wir wieder unsere Sinne schärfen konnten?

Lassen Sie uns also drei Dinge aufschreiben, die heute gut waren. Und – lassen Sie uns danach suchen, WARUM sie gut waren.

Unerreichbarkeit

Wir müssen damit umgehen lernen, immer und überall erreichbar zu sein. Das Home-Office lädt zu einer laufenden Verfügbarkeit ein. Arbeitet man in einem Büro, gibt es eine Übergangszeit von der Arbeit in die freie Zeit und einen Übergangsraum, in dem wir Abstand bekommen können. Beim Arbeiten im Home-Office entfallen diese Pufferzeiten.

Grenzen bei der Erreichbarkeit setzen

Daher ist es umso wichtiger, hier Grenzen zu ziehen. Diese Grenzen der Unerreichbarkeit beginnen damit, dass wir nicht innerhalb von einer Stunde eine E-Mail beantworten, innerhalb eines Tages ein Konzept schreiben und innerhalb einer Woche den Präsenzkurs in eine Onlinevariante umgewandelt haben. Wir selbst können diese Grenzen ziehen. Die Professorin an der Harvard Business School, Leslie Perlow, fand heraus, dass die Kunden von Wissensarbeitern kein Problem mit der Unerreichbarkeit hatten, solange diese fest umrissen und ausreichend angekündigt war. Das kann man auch auf den Feierabend beziehen. Cal Newport bewies sogar, dass ein gut definierter Feierabend zu einer deutlichen Effektivitätssteigerung am nächsten Tag führt. Diese höhere Effektivität macht uns zufriedener. Wir sorgen für uns. Mit diesen drei einfachen Mitteln schaffen wir uns bewusste und achtsame freie Zeiten, fokussieren uns auf das Positive und setzen Grenzen – und bilden durch diese aktive Selbstfürsorge eine gute Basis, um gesund und leistungsfähig zu bleiben – auch in herausfordernden Zeiten.